Die Franzosen Alexander Liubchenko und Jean-Denis Sanchis sind in der Welt des Einskunstlaufens bereits lange präsent, aber als Eisakrobaten treten sie noch nicht lange auf. Zuschauer kennen bereits ihre atemberaubende Nummer. Sie sind in den renommierten Shows wie von Evgeni Plushenko und Denis Ten aufgetreten haben, mit ihren Auftritten das Publikum begeistert – so wie z. B. bei der Gala in Bordeaux 2014. Einer von beiden ist in die Rolle eines Verbrechens geschlüpft und musste vor seinem Partner-Politizisten fliehen – die Flucht endete unter dem Dach der Eishalle. Einige Zuschauer mussten sogar ihre Augen vor Angst schließen – so spektakulär und halsbrechend sah das Ganze aus. Mit ihren Auftritten trotzen sie der Angst und verbinden das Mögliche und das Unmögliche.
Erzählt bitte, wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, Akrobaten zu werden?
Alexander: Ursprünglich war es nicht geplant. Ich kam vor drei Jahren nach Bordeaux und lief mit einem Mädchen als Eistänzer.
Und warum Bordeaux?
Alexander: Ich hatte unterschiedliche Meinungen bezüglich meiner Sportkarriere mit meiner damaligen Eislaufföderation (Alexander lief früher für die Ukraine) und so bin ich das Risiko begangen, mich aus dem System zu lösen und das Land zu wechseln. Ich habe für mich Frankreich gewählt, weil es näher war, sowohl von der Entfernung als auch von meiner inneren Einstellung. Aber ich möchte unbedingt sagen, dass ich meiner ersten Trainerin Tatiana Grusheva sehr dankbar bin.
Jean-Denis: Und ich möchte meinem Trainer Pierre Baudouin danken!
Alexander: Als ich nach Bordeaux kam, begann ich neue Ideen für neue Hebungen zu suchen. Die Mädchen haben mehr Angst, etwas Neues auszuprobieren, weil es zu riskant ist. So half mir Jean-Denis dabei, er hat mit mir Hebungen geübt, die später meine Partnerin auszuführen hatte. Es geht jetzt um komplizierte Hebefiguren. Und einmal habe ich aus Spaß Jean-Denis gefragt: – könnte ich dich als Paarläufer auch heben? Es klappte nicht. Und beim zweiten Mal klappte wieder nicht. Beim zehnten Versuch ging es einigermaßen und beim 20. Mal – klappte alles bestens. Danach haben wir dieses Element auch auf Eis probiert. Einmal hatten wir in unserem Eislaufclub in Bordeaux eine Jahresabschlussgala und wir wollten eine Nummer vorbereiten. Dafür wollten wir Salti üben – es ist sehr riskant.
Was ist genau riskant?
Alexander: Wir haben Kufen wie Eistänzer, also unsere Schlittschuhe haben keine Zacken, – deshalb ist es mit Risiko verbunden. Hier kamen einige Risikofaktoren zusammen – wir konnten bis dahin keinen Salto springen und wir hatten keine Zacken. Ich habe mir diesen Sprung in zwei Tagen beigebracht. Nach zwei weiteren Tagen konnte auch Jean-Denis ihn springen. Er sagte: „Wenn er das kann, dann muss ich das auch können“. Danach begannen wir professionell zu arbeiten. So war der Anfang.
Jean-Denis: Ich wollte es wegen ihm anfangen. Wir begannen zusammen zu trainieren, so als zwei verrückte junge Männer, die zusammen auf dem Eis auftreten.
Wie schaffen Sie es, ihr Training als Eistänzer und als Akrobat zu verbinden?
Jean-Denis: Meine Partnerin geht noch zur Schule, und wenn sie in der Schule ist, kann ich diese Zeit für mein Training mit Alexander nutzen.
Wer denkt all diese Nummern aus?
Alexander: Das sind meine Ideen, ich suche die Musik aus und gestalte die Choreografie dafür. Da ich unten in der Hebefigur stehe, kann ich besser einschätzen, ob wir richtig laufen und wie man es am besten gestalten kann.
Jetzt haben wir unseren Stil ein wenig geändert, in der neuen Nummer gibt es eine junge Frau – damit keine Fragen kommen (lächelt). Wir möchten zeigen, dass wir nicht nur Akrobaten sind, in erster Linie sind wir Eiskunstläufer. Es gibt großartige Akrobaten wie Besedin und Polischuk, die sind wirklich toll! Mit ihren Nummern bin ich groß geworden. Aber die sind Akrobaten, die später auf das Eis gegangen sind. Und wir sind Eiskunstläufer, die Akrobaten geworden sind.
Das ist dann ein Unterschied zwischen ihnen und euch?
Alexander: Ja! Wir sind Eistänzer. Wir haben läuferische Fähigkeiten (skating skills), wir laufen nicht von einem Elementen zu dem anderen, so etwas versuchen wir zu vermeiden – selbst wenn wir komplizierte Elemente ausführen.
Ihr seid bei Denis Ten und bei «Kings on Ice» bei Plushenko aufgetreten. Welche Erfahrungen habt ihr dort gesammelt?
Alexander: Erstens, es waren viele positive Emotionen dabei. Zweitens – wir konnten einige Eiskunstläufer näher kennen lernen. Man kann ja alle im Fernsehen bewundern, aber es ist anderes, wenn Du zusammen mit ihnen auf Eis stehst, es ist genial! Und es ist toll, wenn Olymiasieger deine Freunde werden! Aber wir haben damit keine Hoffnungen verbunden, unsere Arbeit macht uns einfach unheimlich viel Spaß!
Wie kam es zu dem ersten Kontakt mit Galaorganisatoren?
Alexander: Die Welt des Eiskunstlaufens ist klein, alle kennen einander. Ich lief früher auch bei den Junioren Grand Prixs. Jetzt kamen z. B. zum Grand-Prix russischen Eistänzer Mozgov und Yanovskaya, Bukin und Stepanova nach Bordeaux – ich kenne sie seitdem sie 15 Jahren waren, wir sind zusammen gelaufen. Jetzt sind wir erwachsen, sind unterschiedliche Wege gegangen – aber immerhin – die Eiskunstlaufwelt ist wie eine große Familie. Wenn jemand etwas interessantes sieht oder macht – dann weiß man es.
Als uns Plushenko eingeladen hat, war ein bisschen Zittern schon dabei (lacht). Mich hat der wunderbare Musiker Edwin Marton angerufen. Wie er meine Nummer gefunden hat – keine Ahnung – es ist auch irrelevant – wir haben uns verabredet. Das war großartig! Es war eine wunderbare Show und auch Ari Zakorjan sei Dank!
Welche Pläne habt ihr jetzt?
Alexander: Jetzt arbeiten wir an einem Schraubensalto – also Salto mit einer Drehung in der Luft. Im letzten Jahr habe ich versucht, ihn auszuführen, habe mich dabei verletzt.
Habt ihr Angst, euch zu verletzen?
Alexander: Ne! Ich bin bereits drei Mal auf den Kopf gefallen, mein Kopf ist hart genug! Ja, wir stürzen auch. Aber ehrlich gesagt, eine größere Angst habe ich, dass nicht ich, sondern dass Jean-Denis stürzt. Es gibt so eine Partnerverantwortung – das kenne ich noch vom Eistanzen – ich soll ihm Sicherheit garantieren. Wenn er stürzt, werde ich mich auf das Eis schmeißen, damit er auf mich stürzt – man darf nie seinen Partner/Partnerin in Stich lassen. Aber es gibt auch einen Unterschied – wenn Du mit einem Mann oder einer Frau arbeitest. Wenn ein Mann stürzt, steht er auf und macht weiter.
Hm, klingt so, als ob die Frauen, die stürzen, nicht sofort aufstehen und nicht weitermachen?
Alexander: Die Mädchen machen sich zu viele Gedanken, wenn beim Eistanz eine stürzt, hörst du öfters – «hm…ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich es machen kann!» Bei uns ist es einfacher: Bereit? Bereit! Los! Nicht bereit? Nicht bereit! Stop! Wenn jemand von uns beim Training nicht bereit ist, dann gehen wir kein Risiko ein, wir laufen, machen etwas – aber führen keine mit Risiko verbundenen Elemente aus.
Jean-Denis: Es gibt bei uns kein Risiko. Wir machen es, weil es für uns interessant ist. Wir trainieren ja alles zuerst in der Turnhalle und erst dann gehen wir auf das Eis.
Und was halten Eure Freundinnen davon? Haben sie gar keine Angst um ihre Boyfriends?
Alexander: Mein Girl-Friend ist eine Turnerin, und Jean-Denis ist mit einer Eiskunstläuferin zusammen. Klar, dass bei unserem ersten Auftritt die beiden sehr aufgeregt waren, obwohl sie auch Sportlerinnen sind. Aber später haben sie es akzeptiert und verstanden, dass unsere Arbeit mit Risiko verbunden ist. Und abgesehen von Wünschen unserer Girl-Friends werden wir weiter laufen und Risiken eingehen. Wir sind wie Brüder und wir haben ein gemeinsames Ziel – wir möchten die Besten sein. Man muss andere motivieren, weiter zu arbeiten, Risiken einzugehen und Konkurrenz anzunehmen. Die Konkurrenz ist die beste Motivation! Wir möchten uns weiterentwickeln. Wir arbeiten an einigen komplizierten Elementen, aber wir müssen sie noch schleifen. Wir zeigen nicht alles, was wir können.
Hat die FFSG nichts gegen diese Auftritte?
Alexander: Mit uns sind keine großen Hoffnungen verbunden, wir haben keinen Druck. Wir werden sogar unterstüzt, weil wir etwas Neues zeigen und vielleicht wird Eiskunstlauf irgendwann eine neue Disziplin bekommen. Wenn man rückblickend die Entwicklung dieser Sportart betrachtet –man hat auch anfangs nur Linien auf das Eis gezeichnet und Axel gesprungen. Selbst wenn man Eiskunstlauf vor zehn Jahren mit dem Eiskunstlauf von Heute vergleicht – alles ist anderes! Andere läuferische Fähigkeiten, Vierrersprünge, Mädchen springen sogar den dreifachen Axel! Der Eiskunstlauf entwickelt sich immer weiter und deshalb meine ich, dass sich irgendwann etwas Neues daraus ergibt.
Vielen Dank für das Interview!