Seit 2014 führt Brian Joubert als Trainer seine eigene Eiskunstlaufschule (BJPG). Die Sportler aus der BJPG treten bei verschiedenen internationalen Wettbewerben an. Welche Erfahrungen hat der französische Weltmeister in diesen Jahren in diesem Umfeld gemacht, was ist wichtig für ihn und was er vermisst – erklärt er in diesem Interview in Oberstdorf.
Kannst Du bitte über Deine Schule berichten? Wie habt ihr die letzten zwei Jahre erlebt?
Ich denke, die Situation ist sehr schwer. Nicht jeder in der Schule läuft auf ganz hohem Niveau, nur die Mitglieder der französischen Eiskunstlaufmannschaft sind auf diesem Niveau. Außerdem konnten viele Sportler in der letzten Saison gar nicht laufen und sind seitdem nicht mehr in der Eishalle erschienen. Deshalb bin ich der Meinung, dass die kommende Saison echt schwierig wird, weil uns Sportler fehlen werden.
Wie viele Sportler betreust du jetzt?
Ich kann es nicht genau sagen, weil wir nach dieser Pause neu starten und schauen müssen, wer sich noch bei uns anmeldet. Wir haben erst vor kurzem damit begonnen, unsere Sportler anzusprechen, dass sie wieder in die Eishalle kommen. Im letzten Jahr hatte ich ungefähr 100 Läufer. Jetzt müssen wir sehen, wie sich alles entwickelt. Aber nichtdestotrotz kann ich von mir behaupten, dass ich glücklich sein darf. Wir mussten in der Coronazeit die Eishalle nicht schließen, wir konnten unsere Trainings fortsetzen.
Ihr habt inzwischen eine neue Choreografin engagiert, ist das richtig?
Ja, das stimmt. Wir haben Anna Novichkina aus Russland eingeladen. Wir wollten mit ihr bereits in der letzten Saison arbeiten, aber die Einreise war wegen der Covid-Maßnahmen nicht möglich. Deshalb konnten wir erst in diesem Jahr mit ihr starten und ich bin sehr zufrieden, wie diese Zusammenarbeit verläuft. Auch Lea (Lea Serna – Anm. der Red) hat es Spaß bereitet, die Programme mit ihr zu choreografieren.
Lea ist in Bergamo aufgetreten, jetzt in Oberstdorf. Welche Ziele hast Du für sie gesetzt?
Natürlich wäre es schön, wenn sie in Oberstdorf unter den top Sechs landen könnte und für Frankreich einen olympischen Startplatz holte. Aber ich will einfach, dass sie gut läuft und dass sie zeigt, wozu sie fähig ist. Es ist sehr schön ihr zuzuschauen, Lea gelingen sehr schöne Sprünge und Pirouetten. Deshalb möchte ich, dass sie diese den Preisrichtern und Zuschauern zeigen kann und ihre Programme sauber läuft. Ich bin mir sicher, dass sie dazu fähig ist, unter den top Ten bei der Europameisterschaft zu landen und auch französische Meisterin zu werden. Wie gesagt, ich will keine großen Ziele setzen, mein Hauptwunsch ist – sie läuft gut!
Bist Du glücklich als Trainer?
Ja! Sehr! Ich muss wirklich sagen, ich genieße jeden Tag!
Was hast Du in diesen Jahren für dich in diesem Beruf gelernt?
Man muss sich Zeit für jeden Schüler nehmen. Die Trainerarbeit ist sehr interessant, aber zugleich auch schwierig, weil jeder von uns unterschiedlich ist. Man muss die Sportler, mit denen Du arbeitest, sehr gut kennen, so bekommt man als Trainer einen besseren Zugang zu den Schülern und so kann man ihnen besser helfen, ihre Probleme bzw. Schwierigkeiten, die zu den Fehlern führen, identifizieren und sie lösen. Man muss den Schülern gut zuhören können.
Darf man Hoffnung haben, Dich wieder auf dem Eis zu sehen?
Nein, wenn ich jetzt in einer Show auftreten sollte, müsste ich zuerst abnehmen und wieder trainieren. Ich laufe jetzt gar nicht mehr. Ich mache die Übungen mit meinen Schülern zusammen, kann einige Sprünge zeigen, aber das war es auch schon.
Auch auf den kleinen Eisflächen auf den Weihnachtsmärkten nicht?
Im letzten Jahr war es nicht möglich. Wenn ich es in diesem Jahr gefragt werde, würde ich gerne dort laufen.
Aha, dann wenigstens dort?
Ja, aber das sind ja kleine Veranstaltungen und kleine Eisflächen, da muss ich nur wenig zeigen.
Wer hilft Dir in Deiner Eisschule alles zu organisieren?
Ich bin nur ein Trainer und konzentriere mich auf diese Tätigkeit. Meine Mutter ist die Präsidentin des Clubes (der Schule) und wir haben ein Team, das sich um alles Mögliche kümmert: sei es Reisen, Buchhaltung, Anmeldungen oder sonst was.
Ich habe gesehen, Du hast viele Schüler, die bei Masters de Patinage auftreten. Ist es ein Erfolg für Deine Schule?
Ich habe ein gutes Team und wir haben sehr interessante und begabte Läufer und Läuferinnen. Aber es gibt in Frankreich zurzeit ein Problem: Es ist schwierig die Philosophie des Siegers wieder zu entdecken. So war es bei meiner Generation, zu den Zeiten, als ich aktiv war. Diese Einstellung vermisse ich. Es ist eine Einstellung, ich nenne sie die Philosophie des Siegers: Wenn Du gewinnen willst und auf dem Podest stehen willst, bist Du bereit, alles aufs Spiel zu setzen und sogar Opfer dafür zu bringen. So eine Einstellung findet man jetzt selten. Ja, ich habe derzeit viele Schüler, die bei den Masters auftreten werden und ich hoffe, ich kann ihnen zu der richtigen Einstellung verhelfen, sich besser bei den Wettkämpfen der kommenden Saison zu konzentrieren.
Nathalie Pechalat ist jetzt Präsidentin der FFSG. Ihr wart in einem Team. Wie kannst Du die Arbeit mit Nathalie beschreiben?
Nathalie ist eine gute Freundin für mich. Aber es ist nicht einfach, weil sie in ihrer Position einige Entscheidungen treffen muss, mit denen ich vielleicht manchmal nicht ganz einverstanden bin. Ich muss es differenzieren können, bzw. trennen – Nathalie als eine gute Freundin und Nathalie als die FFSG-Chefin. Ich mag es nicht, wenn man Dinge vermischt. Aber eigentlich haben wir jetzt nicht so viel Kontakt. Nathalie hat eine schwierige Aufgabe und hat echt viel zu tun. Ich konzentriere mich auch auf meine Sportler in meiner Schule, so dass man kaum Zeit sogar für Telefonate findet.
Was würdest Du gerne zu Deinen Fans sagen?
Ich vermisse sie sehr. Ich laufe jetzt nicht mehr, aber ich vermisse z.B. den Augenblick, wenn Du bei dem 6-minütigen Warm-Up beim Wettkampf auf die Eisfläche kommst und das Publikum begrüßt dich sehr. Ich vermisse solche emotionalen Momente und ich würde gerne meine Fans wieder einmal in einer Eishalle treffen. Ich bin ja zwar jetzt in einer anderen Rolle, aber so ein Treffen würde mich sehr freuen, so dass wir vielleicht alle zusammen in einem Café sitzen und uns wie in alten Zeiten unterhalten…
Vielen Dank, Brian und viel Glück weiterhin!
Alexandra Ilina, Oberstdorf 2021
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