Vor einigen Jahren habe ich bereits ein Interview mit den Eisakrobaten Alexander Liubchenko und Jean-Denis Sanchez veröffentlicht.
Vor wenigen Tagen stellte Alexander Lubchenko nun einen radikal neuen Vorschlag für die Entwicklung des Eiskunstlaufs vor, mit dem er dem so genannten „sportlichen Extrem“ einen neuen Impuls geben könnte. Und Alexander weiß, wovon er spricht. Er ist 27 Jahre alt und 23 davon ist sein Leben mit dem Eiskunstlauf verbunden. Liubchenko trat bei internationalen Eiskunstlaufwettbewerben im Einzel und Eistanz auf. 2012 wechselte er seine sportliche Staatsbürgerschaft. Seit 2014 ist er als Eiskunstlauftrainer in Frankreich und Luxemburg tätig. In dieser Zeit ist er als Eisakrobat im Duett mit dem französischen Athleten Jean-Denis Sanchis aufgetreten. Auf der Grundlage seiner Erfahrungen entstand die Idee, „Sport extrem“ auf Eis zu entwickeln.
Alexander, so wie ich es verstehe, planst Du die Gründung einer neuen Sportart – Eisakrobatik, aufgeteilt in Singles und Pairs. Was genau meinst Du damit?
Die neue Disziplin soll „Akrobatischer Eiskunstlauf“, „Patinage Acrobatique sur Glace“, heißen. In dieser Sportart wird der klassische Eiskunstlauf mit Elementen der Sportakrobatik kombiniert.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine neue Sportart zu schaffen?
Der akrobatische Eiskunstlauf gilt als Genre der Zirkuskunst und wird seit vielen Jahrzehnten in zahlreichen Eisshows gezeigt. Es gab bereits einen Versuch, ihn als selbständige Sportart zu entwickeln, und man hat sogar erste Wettbewerbe organisiert, aber alles endete bevor es richtig losging. Bei der Entwicklung dieses Sports habe ich mich von meinen Kollegen auf dem Eis inspirieren lassen, nach denen ich die Hauptelemente der neuen Disziplin benannt habe. Und ich hoffe, dass diese Namen genau wie die weltberühmten Lutz, Flip, Rittberger, Salhow, Toulup und Axel in die Weltgeschichte des Eiskunstlaufs eingehen werden.
Ich unterbreche Dich, nenne mir ein paar Beispiele…
Zum Beispiel gibt es im Paarakrobatik-Eiskunstlauf ein Element Wurf, alle Arten von Würfen werden nach Art der Verbindung klassifiziert und es war notwendig, ihnen Namen für die Kodifizierung und Eingabe in das ISU-Schiedsrichter-System zu geben – es gibt sieben davon: Besedin, Polishuk, Tishler, Mytnik, Warren, Sanchis, Liubchenko.
Warum wurde diese Disziplin nicht schon früher entwickelt?
Für die Schaffung der sportlichen Disziplin wurde der Grundstein nicht gelegt, in diesem Fall wurden die Aufgaben nicht einheitlich und nicht Schritt für Schritt gestellt und gelöst. Schließlich sollte klar definiert werden, wer am Wettbewerb teilnimmt, welche Regeln dabei gelten, auf welcher Grundlage die Schiedsrichter urteilen, die Elemente und ihre Wertung sollten klar definiert werden. Dabei erwähne ich jetzt nicht, dass auch spezielle Sportclubs existieren sollten.
Warum sollte es jetzt klappen?
Dank meiner zahlreichen Verbindungen in der Welt des Eiskunstlaufs ist es mir in dieser Phase gelungen, viele Menschen für diese Idee zu begeistern: Athleten, Trainer, technische Spezialisten, Preisrichter und Sportakrobaten. Gleichzeitig haben wir eine große Unterstützung von der neuen Führung des französischen Eiskunstlaufverbands bekommen.
Welche Rolle spielst Du dabei?
Meine Rolle in diesem riesigen Bereich ist recht vielfältig – von der Schaffung der Grundlagen für den Sport (Anweisungen für technische und Schiedsrichterteams, Definition der Regeln, Engagement und Training der Athleten) bis zur Management und Förderung des akrobatischen Eiskunstlaufs auf der Ebene des Sportverbandes und des Sportministeriums.
Warum müssen Menschen diesen Sport treiben?
Eigentlich ist es mehr als nur eine reguläre Disziplin, die Athleten, auch die die ihre Karriere bereits beendet haben, haben sportliche Ambitionen. Ich habe vor, die perfekte Plattform zu schaffen, um Talente zu präsentieren, zu fördern und zu zeigen, dass Eiskunstlauf vielfältig ist und nicht nur auf Vierfach-Sprünge angewiesen ist. Es ist auch eine großartige Gelegenheit für sie, in die Sportgeschichte einzusteigen und ihr Können und die geübten Elemente zu erweitern, um zum Beispiel später in Eisshows aufzutreten.
Welche Rolle kann diese Disziplin generell im Eissport spielen?
Der akrobatische Eiskunstlauf hat das Potenzial, das letzte Detail zu sein, das den Lebenszyklus eines einzelnen Athleten ausmacht, und kann ein sanfter Übergang zum Paarlauf sein, eine Art der Fortbildung oder eine Gelegenheit, sich während der Suche nach einem neuen Partner bzw. Partnerin fit zu halten. Außerdem kann man sich damit auf diverse Eisshows vorbereiten.
Verstehe ich richtig, dass die Eisakrobatik eine neue Disziplin unter der Schirmherrschaft der ISU sein könnte?
Auf jeden Fall, mit dem Endziel, in die Liste der olympischen Disziplinen aufgenommen zu werden.
Wie sieht es für die andere Seite aus, bzw. warum brauchen die ISU und die Sportverbände diese neue Disziplin?
Für die ISU wird diese Sportart Geld, Zuschauer und Sponsoren anziehen, was der Entwicklung des Eiskunstlaufs einen neuen Impuls geben wird. Für Sportvereine und -verbände wird es eine weitere Gelegenheit bieten, neue Athleten zu finden, talentierte Sportler an sich zu binden, auch wenn sie aufgrund der Entwicklung und des zunehmenden Wettbewerbs in ihrer eigenen Disziplin nicht mehr konkurrenzfähig sind.
Was sind die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Eisakrobatik und dem klassischen Eiskunstlauf?
Man kann auf bisher verbotene Elemente zurückgreifen und neue Elemente einführen, die im klassischen Eiskunstlauf nicht vorhanden sind. Es sind jedoch obligatorische Elemente aus dem klassischen Eiskunstlauf geplant.
Es wird also auch Programme mit musikalischer Begleitung und einer klar geregelten Reihe von Elementen geben?
Genau: Es wird zwei Programme geben (Kurzprogramm und die Kür), d.h. als Grundlage nehmen wir die Regeln aus dem Eiskunstlauf, aber es werden einige Anpassungen an die Besonderheiten der neuen Sportart vorgenommen.
Wer wird in dieser Sportart auftreten?
Zurzeit gibt es zwei Alterskategorien für diese Disziplin: von 13 bis 21 Jahren und ab 21 Jahren und älter. Voraussichtlich werden folgende Konstellationen im Paarlauf vorgesehen (М\М F\F F\\М) und im Einzellauf (F\М) geben.
Ich weiß, dass Du bereits ein System von Elementen und Regeln für die neue Disziplin entwickelt hast. Erzähle mir mehr darüber.
Zunächst war es notwendig zu verstehen, ob die theoretische Ausführung von Elementen auf der Eisfläche mit Geschwindigkeit möglich ist. Man musste viele Variablen berücksichtigen und Unbekannte klassifizieren, um das Wertungssystem zu berechnen. Nur so kann man ein Gleichgewicht zwischen Qualität und Komplexität der Ausführung finden. Erst dann kann man diese Elemente in ein Computersystem der ISU eingeben.
Warum tendierst Du dazu, dass die Preisrichter aus dem Bereich Eiskunstlauf sein sollten?
Zunächst einmal sollte es beim Eiskunstlauf bleiben – und nicht bei der Eislaufakrobatik. Für das Eiskunstlauf-Schiedsrichterteam wird es sehr einfach sein, sich an die neue Sportart anzupassen, da nur die Details geändert werden, die die GOE betreffen. Für die Vorbereitung des technischen Teams muss jedoch noch viel Arbeit geleistet werden.
Welche Rolle spielt dabei die zweite Note?
Personen, die mit den Problemen des Eiskunstlaufs vertraut sind und sich für die Entwicklung des Sportes interessieren, sind zu dem Schluss gekommen, dass Skating Skills, mouvement/linking footwork, performance, choreography, interpretation/timing eine Grundnote haben und als ein Element am Ende des Programms mit GOE bewertet werden.
Wann sind Pilotwettbewerbe in dieser Disziplin geplant?
Dies ist eine sehr gute Frage, da nicht nur die Organisation des Wettbewerbs notwendig ist, sondern wir müssen auch Athleten haben, die miteinander konkurrieren können. Ich lebe und arbeite in Frankreich, daher werden die ersten offenen Wettbewerbe höchstwahrscheinlich in diesem Land stattfinden. Mehr Infos kann man immer aktuell in sozialen Medien erhalten: Instagram, Facebook
Wie willst Du die Athleten für die neue Disziplin gewinnen?
Ich glaube, dass die berühmten Sportler und Trainer diese Disziplin für die breite Öffentlichkeit interessant machen werden und ich hoffe auf Unterstützung durch die Medien. Meine Aufgabe ist es, einen kompetenten Ansatz zu schaffen und den Trainingsprozess aufzubauen. Ich möchte zeigen, dass diese Disziplin nicht gefährlicher ist als jede andere Sportart. Da wir in der Welt der digitalen Technologie leben, habe ich bereits ein potenzielles Team von Athleten vorwiegend aus Russland rekrutiert, und auch, wenn ich sie noch nie live gesehen habe, hindert mich das nicht daran, ihnen dabei zu helfen, sich schnell zu entwickeln und große Fortschritte zu machen. Es ist wichtig, dass die Sportler gut auf Schlittschuhen stehen und für harte Arbeit sowohl in der Halle als auch auf dem Eis bereit sind.
„Kings Life“: Ein Film von Alexander Liubchenko oder Eiskunstlauf ganz nah