Katarina Witt

Originalversion in Patinage, N 145 (France)

Edith Piaf sang in ihrem berühmten Lied – je ne regrete rien – ich bereue nichts. Könnten Sie so etwas auch von sich aus behaupten?

Ja, ich würde heute alles genauso wieder machen, wie ich es bisher gemacht habe. Ich wüsste nicht, was ich hätte besser machen können.  Selbst wenn man im Sport verloren hat oder eine Fehlentscheidung im Leben getroffen hat, man lernt immer dazu.  Es geht ja nicht nur geradeaus im Leben.  Im Sport sind die Niederlagen wichtig, um wieder eine neue Motivation für das Training zu bekommen, einen neuen Ansatz zu bekommen, um zu wissen, was man besser machen könnte.

Könnten Sie vielleicht eine Geschichte erzählen, die Sie persönlich mit Frankreich verbinden?

Ich erinnere mich an Galas in Paris, es ist sehr schön gewesen! Ich kann mich wirklich gut daran erinnern,  wie ich mit meinem Cancan Rock aufgetreten bin. Ich glaube auf Grund des Cancanrocks hat damals Lalique einen Pokal kreiert, der zeigt, wie sich dieser Rock dreht. Ich habe eine schöne Trophee von Lalique bekommen. Der Wettbewerb heißt jetzt anders…

Trophee Eric Bompard!

Genau, sie wurde umbenannt, früher hieß es Trophee Lalique. Und der Pokal war mir gewidmet, man sieht richtig, wie mein Rock schwebt. Der Pokal ist toll und er steht bei mir zu Hause. Außerdem hatte ich sehr schöne Schaulaufen in Frankreich. 1994 war ich auf einer Frankreich-Tournee. Wir sind in mehreren Städten gewesen und es war toll. Und in Lyon habe ich an den Europameisterschaften teilgenommen.

Welche Auszeichnung ist die wichtigste für Sie? Im Sport ist es klar – Sie haben zwei Olympia Gold, aber was meinen Sie war in der Karriere danach?

Wichtig für mich war, dass ich als Eisläuferin auch später doch viele meiner Träume erfüllen konnte,  und ich habe dann viel selber produziert. Ich habe Shows aktiv kreiert, habe mir ein tolles Team gesucht und habe mir eine schöne Lebensqualität mit dem Beruf Eiskunsläuferin gesichert. Vor allen habe ich viel selber in die Hand genommen, ich bin dabei nicht nur Eisläuferin gewesen. Ich setzte Ideen um. Das hat mich als Eiskunstläuferin sehr erfüllt. Die erste Show war für mich ein Türöffner, aber ich wusste schon damals, dass ich was Eigenes machen würde. Ich hatte eine eigene Vision vom Eis. Es ging mir darum, den Eiskunstläufern eine Bühne zu bieten und sie in den Mittelpunkt zu stellen und das ist mir, glaube ich, in Amerika gemeinsam mit Brian Boitano gelungen.

Katarina WittWar es schwierig für Sie, die zweite Olympia-Medaillie zu gewinnen?

Bei dem zweiten Olympia gab es einen richtiges Deal.  Wenn ich die zweite Goldmedaillie  nach Hause bringe, würde man  mich ein Jahr in Shows laufen lassen. Insgeheim haben sie gehofft, dass ich vielleicht zur Vernunft komme und einen ordentlichen Beruf erlerne. Meine Motivation war vor Publikum zu laufen.  Die Musik, die Choreografie, das ganze drum herum war für mich immer eine eigene Welt. Ich konnte es nicht wahrhaben, dass mit 22 Schluss sei. Und wenn ich es weiter machen wollte, musste ich diese zweite Medaillie nach Hause bringen.

In Lillehammer, bei den  dritten Olympischen Spielen, sind Sie zum Lied „Sag mir wo die Blumen sind“ gelaufen.  Wenn Sie theoretisch, sagen wir in Sochi oder Korea auftreten würden, welche Musik würden Sie heute wählen?

Weiß ich nicht. Eine Musikentscheidung hängt immer mit dem Moment zusammen und bei den Winterspielen 1994 in Lillehammer wählte ich  Pete Seegers Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“ als Kürmusik, ich wollte die olympische Weltbühne nutzen, um auf die seit 1992 andauernde Belagerung und Krieges in Sarajevos, wo ich mein 1. Olympiagold gewann  hinzuweisen. Heute würde ich mir heute eventuell wieder eine Filmmusik suchen.

 

Katarina WittSie sind heute in Dortmund und stellen die Show „Disney on Ice“ vor, bei dem Sie die Markenbotschafterin sind.  Was verbindet Sie mit dieser Stadt?

Ich erinnere mich an meine erste Weltmeisterschaft in Dortmund, ich stand in der überfüllten Westfallenhalle,  damals bin ich Zehnte mit 14 Jahren  geworden, und das war ein Riesenerfolg für mich! Ich weiß noch, wie ich mit ganz großen Augen an der Bande stand und mir die Großen angeschaut habe, da kam zum ersten Mal der Wunsch wirklich bis nach oben zu schaffen. Dann siehst Du, wie z. B. das Siegespodest auf das Eis geschoben wird – das sind die Momente und Du denkst – vielleicht schaffe ich auch!

In diesem Jahr habe ich viel in der Vergangenheit gegraben. Ich fand alte Artikel aus dieser Zeit, und da stand, dass ich ein vielversprechendes Talent sei, und dass man sie vielleicht in den nächsten Jahren noch öfter sehen würde. Die Sportjournalisten haben schon damals etwas geahnt. Meinen ersten Europameistertitel habe ich auch in Dortmund gewonnen.

Warum engagieren Sie sich für Eisevents wie „Disney on Ice? Meinen Sie, dass viele Kinder so an das Eiskunstlaufen herangeführt werden können?

Ja, das ist meine Hoffnung, deswegen unterstütze ich auch Disney on Ice, weil so viele Kinder in Shows gehen und vielleicht entsteht auch der Wunsch, irgendwann selber auf dem Eis zu stehen.

Katarina WittVielleicht schaffen es diese acht- bis 13-jährigen nicht unbedingt bis in die Weltspitze,  aber dann können sie sehen, dass sie in so einer Show mitspielen könnten. Man weiß nie, wie weit diese Kinder kommen, aber sie stehen bereits auf dem Eis und ich finde es super, dass sie einen Traum haben. Früher ist es anders gewesen.

Was war anders?

Man war ausschließlich auf den Leistungssport fixiert, und heute, auch wenn die Leistungen nicht so gut sind, können die Kinder den Traum doch weiterleben und gute Showläufer werden.  Das gibt auch für das Training eine gute Motivation, denn am Ende, alles, was man im Sport lernt, hilft einem später im Leben.

Was hat sie bewogen, das Buch „So viel Leben“ herauszugeben?

In diesem Jahr bin ich 50 geworden. Und daher habe ich mir viel Zeit genommen, noch einmal Revue passieren lassen. Ich habe ein paar Monate in Bildern, in alten Kisten, in alten Erinnerungen gewühlt. Natürlich habe ich überlegt, die Menschen ein bisschen hinter die Kulissen blicken zu lassen.  Man weiß nicht, wie es wirklich ist, das Eiskunstlaufen sieht immer so glamourös aus, man ist fröhlich, ich bin auch meistens fröhlich, aber es steckt viel Arbeit dahinter.

Erinnern Sie sich auch an das Anstrengende? An die tägliche harte Arbeit?

Es gehört zum Sport dazu. Viele Jahre später erinnert man sich nicht so sehr an das Anstrengende. Meine Eltern könnten ein Lied davon singen, wie ich nach dem Training nach Hause fast gekrochen bin. Aber mir hat es einfach Spaß gemacht. Man hat für sich Ziele gesetzt: Spartakiade zu gewinnen: kleine Junioren-Wettkämpfe… Stufe für Stufe…so konnte man sehen, wie man sich entwickelt. Und es ist schön, wenn du merkst – du kannst einfach immer besser werden. Leider schafft natürlich nicht jeder im Wettkampf zu gewinnen, aber all diese Erfahrungen sind später ein grosser Gewinn im Leben.

Mussten Sie auf Vieles verzichten? 

Ich hatte nur 14 Tage Urlaub pro Jahr. Zu Weihnachten konnten wir nicht wegfahren, weil ich statt langer Weihnachtsfeier auf dem Eis stand. Meine Eltern haben auf vieles verzichtet, dass sie weniger Familie gesehen haben.  Letzten Endes habe ich gemacht, was ich immer machen wollte. Ich wollte Schlittschuhlaufen und ich wußte wieviel Training es bedeutet.  Im Sommer wollte man manchmal am See sein und am Ende war man doch froh, in der kalten Eishalle zu sein, wenn es draußen zu heiß war.

Welche Rolle haben Ihre Eltern gespielt?

Das schöne war, dass meine Eltern mich zu Hause wirklich in Ruhe gelassen haben.  Sie wussten, wenn ich nach Hause kam und die Tür zumachte, dann bedeutete es –  zu Hause. Ich habe nichts nach dem Training erzählt, sagte nur – na ja ist alles gut.  Natürlich kamen sie regelmässig zur Eisbahn, aber nicht täglich und nicht wöchentlich, nach paar ein Monaten kamen sie und fragten Frau Müller, wie es so geht. Und sie antwortete – Katarina komme überhaupt nicht vorwärts.  Selbst habe ich nichts erzählt, denn ich dachte – da müsste ich zu Hause noch etwas erklären.  Es ist schön, dass meine Eltern es alles so akzeptiert haben.

Sie hatten aber eine sehr strenge Trainerin…

Ohne Frau Müller, ohne ihre Strenge und ohne ihre Stärke hätte ich es auch nicht geschafft. Denn sie hat wirklich gewusst, wie sie einen Sportler richtig motivieren konnte. Aber ich habe es selber so gewollt. Nein,  ich habe nichts dadurch verpasst. Ich habe mich mit Freunden getroffen, geflirtet, tanzen gegangen, auch Blödsinn gemacht – erzähle ich lieber nicht (lacht).

Und am Ende war doch der Gewinn und die große Motivation, dass ich reisen konnte.

IMG_9603Hatte es besondere Auswirkungen?

Es hat mir auch geholfen, dass ich in der DDR gelebt habe. Es gab da nichts was mich ablenkt. Für mich gab es nichts anderes zu tun als nur der Sport.

Leistungssport wurde damals gefördert. In anderen Bereichen hat man Steine in den Weg gelegt und bei uns im Sport hat man Steine aus dem Weg geräumt.  Ich konnte mir die Eiszeiten aussuchen, es wurde alles abgesprochen, wann die besseren Schulzeiten sind und wann die besseren Eiszeiten sind. Alles hat sich dem Sport untergeordnet, und es war für mich einfach selbstverständlich, Leistung zu zeigen. Es war auch eine große Motivation mal ins Ausland reisen zu dürfen, um etwas anderes zu sehen. Trotzdem bin ich immer total gerne nach Hause gekommen, mir ist nie in den Sinn gekommen, woanders zu leben. Ich hätte Millionen mit Werbung verdienen können, aber es hat mich nie interessiert, ich wollte nur die beste Eiskunstläuferin werden.

Was hat sie noch motiviert?

Die Ziele wurden  größer – einmal Weltmeisterin werden, dann zweimal Weltmeisterin werden. Ich habe mit Anett Pötzsch zusammen trainiert, ich war Olympiasiegerin und dann hat sie meinen Bruder geheiratet! So habe ich gedacht – so jetzt werde ich dafür aber zweimal Olympiasiegerin! (lacht). Das Ziel war, sie zu überflügeln. Es ist schon verrückt, welche Motivation man hat, um das Training durchzustehen, und zu machen, was du eh jeden Tag machst, Jahr… für Jahr… für Jahr.

Haben Sie noch Lust jetzt Eis zu laufen?

Als ich gerade in der Halle war – da kann schon so ein Gedanke kommen. Eigentlich ist Eiskunstlauf eine gute Sportart, um sich fit zuhalten oder ein bisschen fitter zu werden,  Wenn ich am Eis bin, das Licht sehe, die Zuschauer, nehme ich die Stimmung wahr, höre die Musik, dann kommt für einen Augenblick die Wehmut. Ich denke, es war eine schöne Zeit, und ich bin so dankbar, dass ich es so lange laufen konnte.

Und dann kam der Punkt, wo ich gesagt habe, jetzt muss du das Kapitel Eis schließen. Es war keine Verletzung, die mich dazu gedrängt hat. Diese Abschiedstournee 2008 war ein schönes Erlebnis für mich, danach war es Schluss.  Ich hatte aber wirklich das Glück, dass es irgendwie auch immer weiter ging.

Vielen Dank für das Interview!

Alexandra Ilina

Russisch

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