In diesem Interview am Rande des Kurzprogramms bei TEB in Bordeaux spricht der fünffache Weltmeister Robin Szolkowy über neue Herausforderungen– privat und geschäftlich, „on und off Ice“, berichtet von neuen Aufgaben und eröffnet neue Facetten in seinem Leben– als Eiskunstläufer, als Trainer, als Geschäftsführer, als Vereinsvorsitzender und nicht zuletzt als junger Vater.
Robin, Sie haben neulich eine Firma – „justmove“ gegründet. Ich habe auf der neuen Internetseite gesehen – Sie bieten Workshops, Training an… Erzählen Sie bitte darüber!
Jeder, der Interesse hat, kann über die Seite Kontakt mit mir aufnehmen…
Meinen Sie Eiskunstläufer oder wirklich jeden?
Jeder Mensch kann es tun. Von der Grundstruktur habe ich es so angelegt, dass ich dadurch vermittle, was ich über viele Jahre gelernt habe. Das hat nicht nur mit Eiskunstlauf zu tun. Ja, ich weiß, wie man z. B. den dreifachen Toeloop springt, aber ich weiß auch, was noch zusätzlich dazu gehört. Wichtig ist, wie man sich mental darauf vorbereitet, wie man mit gewissen Problemen umgeht. Eiskunstläufer, die sich auf den Wettkampf vorbereiten, müssen ihren Körper unter Kontrolle bringen, genauso wie Tennisspieler, Fussballspieler oder wie auch Manager, die z. B. vor einer großen Versammlung einen Vortrag halten müssen.
Also mit Ihrem Angebot sprechen Sie alle Menschen an, die vor einer großen Herausforderung stehen und davor gewisse Ängste haben?
Richtig! Es ist ein bisschen schwierig, weil es bei uns verschiedene Bereiche gibt, wie z. B. Couching, also ein Punkt – wo es wirklich ausschließlich nur um Eislaufen geht. Couching ist dabei ein Oberbegriff, darunter gibt es Personal Couching, hier geht es um Eislaufen mit mir zusammen. Man kann mich „buchen“. Wir hatten bereits Anfragen bekommen, gleich zwei Tage nachdem die Seite online ging. Mentales Couching hingegen mache ich nicht alleine, sondern mit einem Sportpsychologen, der mit mir zusammenarbeitet.
Also – jemand hat ein Problem, schreibt Ihnen eine Mail mit einer kurzen Beschreibung, worum es geht, und sie vereinbaren einen Termin, um diesem Menschen zu helfen?
Genau! Wenn es um Eislaufen geht, da könnte es so ungefähr in einer Mail stehen – „ich möchte gerne eine Woche bei Dir trainieren“, dann ist es schon klar formuliert. Dann kommt er oder sie nach Chemnitz oder ich komme irgendwohin.
Und wenn es ein Eiskunsläufer ist, der in einer Krise steckt, und immer wieder die gleichen Fehler macht?…
Das ist auch ein Angebot, also man kann über alles Mögliche reden, manchmal führt der Weg – wenn wir jetzt beim Eiskunstlaufen bleiben – von einem doppelten Toeloop zu einem dreifachen Toeloop eben nicht zwingend über das Training, sondern auch über…. hier (zeigt auf den Kopf). Vielleicht kann man in einem Gespräch bei einem Kaffee hier oben (zeigt wieder auf den Kopf) was bewirken, was beim nächsten Training auch funktioniert.
In Ihrer Firma gibt es einen Bereich „Management“ – und es sind einige Namen von Sportlern aufgelistet. Heißt es, dass Sie diese Eiskunsläufer zu verschiedenen Galas vermitteln?
Ja, wir haben diese Sportler unter Vertrag und man kann genau diese Sportler über uns buchen bzw. wir vermitteln sie zu Veranstaltungen.
Läuft dann die ganze Kommunikation über einen Agenten? Also nicht direkt zwischen einem Läufer und den Gala-Organisatoren?
Z. B. wie bei Tanja und Maxim, sie hatten in der Schweiz bei „Art on Ice“ ihren Agenten. Also wenn ich hier meinetwegen Show mit der Teilnahme von Tanja und Maxim machen möchte, dann rufe ich in der Schweiz an und vereinbare es.
Und warum keinen Anruf an Tanja und Maxim direkt?
Ja, selbst wenn ich die direkt anrufe, sie werden sagen – ich müsste mich ans Büro in der Schweiz wenden. Also der Agent ist immer dazwischen.
Arbeiten Sie nicht nur mit deutschen Sportlern, sondern auch mit internationalen?
Im Moment haben wir Sportler aus Deutschland und der Schweiz und wir haben auch Interesse an international bekannten Leuten. Es gibt sehr berühmte Sportler, die trotzdem nicht professionell betreut werden, sie müssen viel selber machen und an die traut sich keiner ran, weil sie denken, sie haben bereits jemanden und dass sie bestimmt irgendwo unter Vertrag stehen.
Und wie sieht es mit den Presseanfragen an diese Sportler?
Wenn die Sportler es wollen, dann ja. Ich habe von A bis Z alles Mögliche im Angebot, von der Showvermittlung bis hin zu Presse oder Sponsoren.
Wird „justmove“ Sponsoren für sie suchen?
Wenn derjenige es möchte, dann ja. Dann ist die Zusammenarbeit auch ganz anders, man arbeitet viel enger zusammen, als wenn es nur um Shows geht.
Wie kam es überhaupt zu der Idee, so eine Firma zu gründen?
Die Idee hatte ich schon lange, bestimmt seit 2012 oder 2013. Ich wollte immer in diese Richtung gehen und spätestens nach Sochi war es mir klar, dass es mein Weg ist. Ich war mit Aliona zusammen viel unterwegs, habe viele verschiedene Shows kennen gelernt, also wirklich von ganz kleinen mit 500 Zuschauern bis hin zu ganz großen – mit 15-20 Tausend Zuschauern. Ich kenne die Leute, ich weiß wie sie ticken, ich weiß, wie die Sportler ticken, ich weiß wie die Zuschauer ticken und wie die Veranstalter ticken. Ich habe in den Gesprächen bemerkt, wie es angenommen wird – wenn ich etwas erzähle. Ich weiß, wie man bestimmten Menschen helfen kann, und da habe ich gemerkt – dass viele Sachen gleich sind – bei Fussballspielern, Eiskunstläufern, Managern – man kann voneinander profitieren.
Wer hat die Seite gestaltet?
Die Grundidee hatte ich, und die Programmierung und andere Feinheiten wie Layout, Visitenkarten oder Briefbögen hat eine professionelle Agentur für uns gestaltet. Das ist auch eine ehemalige Eiskunstläuferin aus Chemnitz, eine Freundin von mir – wir haben uns durch Zufall wiedergesehen, und kurz geredet und es hat genau gepasst.
Es gibt aber auch einen Blog. Was kommt dahin?
Die Seite ist noch sehr jung. Im Blog werden Projekte, die aktuell laufen, kommentiert. Ich habe noch leider keinen Zugang zu dem Blog.
Technisch?
Ja, aber es kommt – die Seite wird mit Inhalten gefüllt.
Wie ist nun diese Arbeit mit der Trainerarbeit mit russischen Sportlern und mit dem deutschen Nachwuchs vereinbar?
Das geht! Im Moment machen es nur meine Frau und ich. Aber wenn die Firma größer wird, kommen auch andere Mitglieder. Es ist natürlich nicht alles super einfach, das ist klar. Man muss schon strukturiert vorgehen und vieles kann ich unterwegs erledigen. Übers Handy ist man weltweit erreichbar. Deswegen ist es überhaupt kein Thema. Ich muss ja nicht zwingend in Chemnitz von 9 bis 12 im Büro sitzen.
Gibt es ein Büro?
Nein, es gibt kein Büro
Homeoffice?
Genau.
Sie arbeiten jetzt weniger mit russischen Paaren, oder?
Nein, genau so viel wie früher. Jetzt liegt aber mein persönlicher Fokus ein bisschen mehr zu Hause. Das bedeutet – wenn ich weg bin, ist mein Telefon 24 Stunden an, und wenn meine Frau anruft und sagt – „Alarm!“, da muss ich entscheiden – ich muss reagieren. Das war so klar von Anfang an. Es ist unser erstes Kind, und wir wussten nicht, wie es uns in Anspruch nimmt.
Ist es sehr anstrengend, wenn ich fragen darf?
Ja, aber es ist doch schön! Also, wenn ich jetzt irgendwie über den ganzen Tag auf fünf Stunden Schlaf komme, dann hätte ich noch vor zwei Jahren gesagt – „Es geht nicht!“. Jetzt sage ich aber – „es ist völlig ok!“
Gewohnheitssache oder wie?
Die Motivation ist ganz anders. Im Moment, wenn mein Sonn in der Nacht um 2 Uhr schreit, weil es ihm langweilig ist und er möchte entertaint werden, steht der Papa auf und trägt den Kleinen durch die Wohnung. Und er lächelt und macht so (Robin zeigt, wie der Keine mit den Händen winkt)– dann ist es ok.
Aber am nächsten Tag muss der Papa arbeiten…
Ja, ja, dann fällt mir ein, dass ich müde bin, aber dann kommt der zweite Gedanke: „ahhh ich bin müde, weil mein kleiner Sohn, den ich über alles liebe, entertaint werden wollte. Und er hat mich angelächelt“. Das sage ich jetzt – er ist erst zwei Monate. Vielleich sehe ich es im März ganz anders. (lacht).
Das war so ausgelegt, dass wir versuchen, wenn die Familie und Kind in Chemnitz sind und ich bin eben zeitweise weg. Bis jetzt hat es sehr gut funktioniert, wie lange es noch gut geht – weiß ich eben nicht, deswegen habe ich im Vorfeld alle darüber informiert, dass ich eventuell irgendwann sage „ich kann nicht mehr weg“.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Evgenia und Vladimir?
Wir arbeiten nach wie vor auf Englisch. Aber ich lerne immer noch Russisch. Ich muss es tun, sonst ist es schwer den nächsten Schritt zu gehen.
Wie lernen Sie Russisch? In einem Kurs oder mit einem Lehrbuch oder eben von ihren „Schülern“ wenn Sie mit ihnen in Russland sind?
Nein, so wird es nichts. Denn ich hatte nie Russisch in der Schule, deswegen habe ich jetzt wirklich bei Null angefangen. Wenn ich beim Training bin, bin ich ja da, um den Menschen etwas beizubringen. Und nicht damit sie mir Russisch beibringen. Wenn ich z. B. sage – „macht das jetzt noch mal!“ , dann sage ich es auf Englisch.
Aber es gibt doch bestimmte Wörter – wie „Dawaj“, „horosho“ oder so…
Das schon, aber im Moment läuft es auf Englisch. Ich lerne mit einer Russischlehrerin aus Chemnitz, sie ist die Mutter von einem guten Freund. Und wenn ich in Chemnitz bin, dann sehen wir uns.
Also es ist ein privater Nachhilfeunterricht…
Ja. Und wenn ich unterwegs bin, also z. B. gerade gestern Abend, hatte ich meine Russisch Stunde per Skype. Also es geht genauso wie mit der Firma – weltweit. Bei „Skate Canada“ habe ich die Zeit umgerechnet und bin früh um 8 Uhr aufgestanden, in Deutschland war es schon Nachmittag. So haben wir auch in dieser Zeit Unterricht gemacht.
Extra aus Canada? Russisch per Skype? Unglaublich!
Ja! Es bringt mir ja nichts, wenn ich nur alle drei Wochen eine Stunde Unterricht habe. Da lerne ich gar nichts. Und ich will es lernen. Wenn die beiden nach einem Element miteinander kommunizieren, möchte ich zumindest die Richtung der Kommunikation verstehen können. Die Körpersprache spielt eine große Rolle, aber trotzdem im Moment muss ich manchmal nachfragen – streiten sie sich gerade? Oder reden sie konstruktiv?
Stimmt, die russische Tonlage ist für Ausländer schwierig zu verstehen, manchmal hört es sich wirklich nach einem Streit an, aber es ist keiner.
Perfekt werde ich Russisch nicht lernen, aber wenigstens – dass ich kommunizieren kann.
Aber dieser Ansatz zeigt, dass Sie wirklich lange weiter mit russischen Paaren arbeiten möchten.
Auf jeden Fall, wenn ich die Möglichkeit bekomme. Nächste Woche in Moskau gehen Natalia Zabiako und Alexander Enbert an den Start und betreue auch die beiden.
Stimmt es dass sie gerade einen Axel im Programm haben?
Im Programm ist er nicht, aber sie haben ihn schon probiert, es hat sich so beim Training ergeben. Sie laufen seit April zusammen, und wir haben geschaut – was funktioniert. Und ich habe mit beiden den Axel geübt. Im Mai war ich bei einem ISU Seminar in Sochi, und wir hatten ein Trainingscamp und es sah schon sehr gut aus.
In Chemnitz haben Sie jetzt noch den Posten des Präsidenten im Eislaufverein übernommen. Wie kann auch das mit allem vereinbaren?
Gar nicht! (lacht). Nein. Ich habe im Vorfeld viele Gespräche geführt. Die Stelle des 1. Vorsitzenden, bzw. des Präsidenten des Clubs war nicht besetzt. Ich lebe seit 20 Jahren in Chemnitz sie haben mich unterstützt, sie haben Aliona unterstützt, und daher – wenn der Verein bei mir anfragt – kannst Du uns helfen? Da habe ich keine Sekunde überlegt.
Im Vorfeld haben wir darüber geredet, dass ich viel unterwegs bin, dass ich viel nicht in Chemnitz bin, dass wir unsere Zusammenarbeit jetzt dann auf Telefonate und E-Mail beschränken. Ich habe in meinem Leben viel gelernt und möchte es weitergeben – man muss mit Menschen reden. Wenn ich den Menschen vorher sage – ich bin weg, ich würde es machen, aber ich bin viel weg, und aber wir können es klären – dann kann es funktionieren.
Gibt es noch Kontakt zu Aliona?
Im Moment nicht.
Sie darf jetzt wieder starten…
Ja, ich bin froh, dass diese Situation jetzt geklärt ist, dass es für die Öffentlichkeit klar geregelt ist. Ich werde nächste Woche den Wettkampf verfolgen… Weil es mich auch interessiert, weniger persönlich, das muss ich ganz klar sagen, aber sportlich, denn ein bisschen Sportler steckt in mir noch immer. Interessant ist, wie die beiden sich jetzt präsentieren, es ist ja Eiskunstlauf und auch viel Politik dahinter. Sagt man jetzt – „das ist das neue Paar und auf euch haben wir gewartet!“ oder sagt man – „na schön , dass du noch mal läufst…“ Es gibt immer die Möglichkeiten – bei den ersten drei zu laufen, oder die Plätzen 4-5-6 zu belegen.
Gibt es noch die Hoffnung auch Sie als Eiskunstläufer noch mal auf Eis zu sehen?
Also im Moment steht es nicht zu Debatte. Es ist nichts geplant für diese Saison. Es kommt darauf an, ob sich meine beiden Teams für EM und WM qualifizieren, welche Wettkämpfe dann anstehen, das ist alles noch offen. Aber ich habe zwei Ideen, für Show Programme.
Alleine?
Allein definitiv nicht. Ich bin ja kein Einzelläufer. Letztes Jahr habe ich für mich beschlossen, dass ich nicht mehr springe. Meine Knie freuen sich und finden die Idee gut.
Geht es dann um ein Adagio-Duo mit der Partnerin aus der Schweiz?
Ja, das Duo besteht noch. Ich bin zwar jetzt viel unterwegs, sie hat im Moment viel mit ihrem Studium zu tun, und daher haben wir uns eine Auszeit genommen. Außerdem die Show muss gut vorbereitet werden. Das Problem ist auch, wenn ich mit meinem Namen, mit meinen Titeln irgendwo auftrete, dann wird eine Qualität erwartet, bzw. ich möchte auch bestimmte Qualität abliefern. Ich konzentriere jetzt aber nicht auf mein Training, sondern mehr auf meine Familie, meine Firma und die russischen Teams. Es gibt diese drei Hauptpunkte. Wenn sich etwas verschiebt, dann kann ich sagen – ok ich trainiere jetzt mehr und werde ein Programm aufbauen. Vielleicht denken alle – hm vielleicht macht er das noch, aber keiner traut sich ein Gespräch anzufangen. Zwei Ideen habe ich – es ist etwas Neues und ich möchte diese Ideen gerne umsetzen und dabei auch gerne selbst mitmachen.
Robin, da bin ich gespannt, Sie wieder auf Eis dem zu sehen!
Ich auch!
und vielen Dank für das Interview!