Den Namen Paul Fentz werden wahrscheinlich nicht alle Fans auf der Welt kennen, aber die deutschen Fans kennen ihn sehr gut. Schließlich ist er derzeit der beste Eiskunstläufer im Land und vertritt Deutschland bei den großen Wettbewerben. Er erlebt Höhen und Tiefen, sucht nach Motivation und versucht sich ständig weiterzuentwickeln. Und wenn es ihm in Minsk nicht ganz gelungen ist, den „Thron“ zu erkämpfen, glänzte er mit seiner Kür zu der Musik aus der berühmten Serie „Game of Thrones“.

Paul, wie bist Du zum Eiskunstlaufen gekommen? Wie war Dein Anfang?

Als Kind war ich im Sportkindergarten und wir hatten dort verschiedene Sportarten im Angebot, wir konnten entweder Schwimmen gehen oder Fußball spielen, Rennen, aber es gab auch eine Eisbahn. Es gab alles Mögliche. Eine Freundin von mir ist dann an einem Donnerstag zum Eislaufen gegangen und meine Mutter hat sich entschieden, dass sie auch mit mir hingeht. Seitdem betreibe ich den Sport. Ich war damals erst drei Jahre alt, als ich zum ersten Mal auf Kufen stand. Mit fünf Jahren stand ich jeden dritten Tag auf dem Eis. Jetzt sind es mittlerweile 22 oder 23 Jahre.

Bist Du sofort zum Einzellaufen gekommen?

Ja, ich war von Anfang an ein Einzelläufer, weil ich ein kleines und dünnes Kind war. Mit 13 Jahren habe ich kurz auch Paarlaufen ausprobiert, falls es mit Einzellaufen nichts werden sollte. Aber ich habe schnell verstanden, dass ich mich weiter auf Einzellauf konzentrieren sollte.

Was schätzt Du am Einzellaufen?

Es ist unglaublich, aber man muss sehr stark und kräftig sein, man braucht viel Ausdauer und zugleich muss man auch elegant bleiben. Man muss immer wissen, wie man den eigenen Körper bewegt. Vor allem fasziniert mich diese Verbundenheit von Kunst und Sport sowie die Dynamik. Man muss diese Verbindung über vier Minuten im Rahmen eines Programms auf das Eis bringen. Diese Herausforderung reizt mich, ein perfektes Programm zu zeigen, dass alle aufstehen und jubeln.

Hast Du Lieblingssprünge?

Ich mag Lutz und Axel sehr, eigentlich mag ich alle Sprünge außer Rittberger. Ich kann ihn zwar gut und sicher ausführen, es ist kein Problem, aber er macht mir einfach nicht so viel Spaß wie die anderen. Warum? Das weiß ich selber nicht.

Kannst Du Dir vorstellen, ein Trainingslager im Ausland zu absolvieren, um dort neue Erfahrungen zu sammeln?

Das habe ich schon gemacht. Natürlich haben wir von der deutschen Eislaufunion solche Lehrgänge, bei denen das gesamte deutsche Team zusammen trainiert. Vor Kurzem war ich zwei Wochen in Oberstdorf bei Herrn Huth im Eisdome. Im nächsten Jahr überlege ich, ein Trainingscamp im Ausland zu machen, ich weiß zwar nicht genau wo, deshalb kann ich noch nichts Konkretes sagen, aber auf jeden Fall werde ich es tun. Vielleicht gibt ein anderer Trainer mir neue Ratschläge zu meinen Sprüngen und dann lerne ich mehr – das reizt mich.

Hast Du in Deinem Sport Vorbilder?

Ja! Brian Joubert! Es war immer und bleibt immer Brian Joubert. Als ich noch klein war und die EM und WM im Fernsehen geguckt habe, war er mein Lieblingssportler und er ist es auch heute noch, auch wenn er nicht mehr läuft. Heute, von den aktiven Sportlern ist es natürlich Nathan Chen, weil mir seine Sprungtechnik äußerst gut gefällt und ich bin zusätzlich ein großer Fan von Mikhail Kolyada.

Kannst Du ein bisschen über die Vorbereitung zu dieser Saison berichten?

Das war relativ schwierig für mich, weil ich nach der letzten Saison mit Olympia sehr müde war, die letzte Saison war sehr lang – mit vielen Wettkämpfen, was auch viel nervlichen Druck bedeutete. Danach musste ich vor allem wieder Trainingsmotivation entwickeln. Wo fange ich an? Was mache ich zuerst? Ich bin verletzungsfrei durch Sommer gekommen, was außergewöhnlich bei mir ist. Die ersten Wettkämpfe liefen gut. Beim Grand Prix in Russland habe ich den sechsten Platz belegt und war damit sehr zufrieden. Danach hatte ich ein leichtes Formtief erlebt und meine Motivation ein bisschen verloren. Von daher habe ich verschärft angefangen, mit einer Sportpsychologin zusammenzuarbeiten. Das mache ich immer noch zweimal in der Woche. Diese Zusammenarbeit tut mir sehr gut, das hilft mir und das macht unheimlich viel Spaß oder bringt mich im Sport weiter.

Inwiefern?

Sie redet mit mir viel über Sport und Privates. Das macht den Kopf frei und dann kann ich mich ganz entspannt und gelassen dem Training widmen und mich konzentriert auf Wettkämpfe vorbereiten – wie es zu dieser EM.

Hast Du viel Freizeit? Hobbies?

Man hat als Sportler schon ein bisschen Freizeit, ich habe meine Berufsausbildung bereits abgeschlossen und bin jetzt seit vier Jahren bei der Bundeswehr – also bei der deutschen Armee in der Sportfördergruppe. Nebenbei mache ich andere Sportarten wie Squash. Ich spiele sehr viel Dart, weil es der Konzentration hilft. Man muss sich über mehrere Stunden konzentrieren und fokussieren können und jeder Wurf muss identisch sein, genau wie im Eiskunstlauf, allerdings muss man sich in diesem Fall über mehrere Stunden konzentrieren. Meine Termine mit der Psychologin nehmen auch sehr viel Zeit in Anspruch, weil sie teilweise 2-3 Stunden dauern. Privat habe ich mit meiner Verlobten zwei Hunde und ich widme ihnen so viel Zeit wie ich kann. Wir trainieren mit den Hunden, das nennt sich Agility Training für Hunde. Ich versuche alles unter einen Hut zu kriegen, weil dieses Hundetraining sehr zeitaufwendig ist und weil die Hunde noch sehr klein sind. Sie können sich noch nicht lange konzentrieren und das muss man ihnen beibringen.

Vermissen Sie Dich, wenn Du unterwegs bist?

Ich mach jeden Abend einen Videochat mit meiner Verlobten und der Hund, der neben ihr sitzt, erkennt meine Stimme durchs Telefon, wenn ich seinen Namen rufe. Dann sucht er mich in der Wohnung. Aber ich glaube nicht, dass er mich vermisst. Er freut sich sehr, wenn ich wieder zu Hause bin.

Warum ist Deine Kür zu „Game of Thrones“ gleich geblieben? Fühlst Du Dich in diesem Programm wohl?

Ja auch! Ich habe es so mit meinem Choreografen Mark Pillay aus Kanada abgesprochen. Er meinte, dass das Programm, die Musik und das Thema noch sehr viel Potential haben, ich habe es im letzten Jahr nicht zu 100 Prozent ausgereizt. Wir haben einige Änderungen am Programm vorgenommen, so dass es für den Zuschauer nicht langweilig wird. Aber wir können noch mehr aus dem Programm rauskitzeln. Das war unsere Motivation, um dabei zu bleiben.

Kannst Du etwas zu Deinem neuen Kurzprogramm sagen?

Wir haben überlegt, dass es ein Kontrast zur Kür sein sollte. Die Kür ist ja sehr düster, sehr kraftvoll, wir wollten etwas anderes zeigen, etwas lockeres und leichtes finden, was gut zu mir passt, mit Gesang, Unterhaltung für das Publikum. Ich denke mit der Musik haben wir voll ins Schwarze getroffen und das Kurzprogramm macht mir viel Spaß. Es macht mir Spaß, diesen Kontrast zu zeigen, im Kurzprogramm bin ich so glücklich, zeige einen coolen Typen und dann in der Kür bin ich ernst und kämpfe um den Thron.

Gibt es in Berlin Top-Sportler, mit denen Du als Sparrings-Partner trainieren kannst?

Nein, leider nicht. In Deutschland haben wir ein kleines Problem, was das Einzellaufen der Herren angeht. Wir haben junge gute Sportler, die viel und hart trainieren, aber sie sind noch jung – etwa 18 bis 19 Jahre alt. Sie sind also sieben Jahre oder acht Jahre jünger als ich. Sie üben noch keine Vierfachsprünge. Ich weiß, dass die Weltspitze Vierfache springt, ich weiß, dass die europäische Spitze Vierfache springt, ich will dazu gehören, deshalb muss ich es auch schaffen. Das ist der Grund, warum ich im Sommer auch mal anderswo trainiere.

Das heißt, es besteht die Motivation, weitere Vierersprünge zu erlernen? Z. B. Salchow?

Ich habe diesen Sprung vor einer Woche gut hinbekommen, aber ich wollte bei diesem Wettbewerb vor allem Axel und Toulup sicher zeigen, was mir heute nicht so ganz gelungen ist, aber ich bleibe da dran und versuche zur WM wenigstens im Training einen neuen Vierersprung zu schaffen, damit die Preisrichter sehen, dass ich mich weiterentwickle und neue Sprünge lerne.

Hast Du Dir für diese Saison ein Ziel gesetzt?

Nicht was Platzierungen angeht. Aber ich möchte international mehr wahrgenommen werden. Dass Zuschauer mich kennen und die Preisrichter wissen, dass ich ein guter Sportler bin. Das ist für dieses Jahr mein Ziel. In dieser Saison geht es ja nicht um einen Olympiastartplatz oder einen WM-Start Platz. Ich will mich selber weiterentwickeln.

Gibt es Kontakt zu Deinen Fans?

Ja, beim Wettkampf und via instagram und im social media. Viele haben mich nach dem Kurzprogramm gefragt, wie es mir wegen meines Kopfes geht, weil ich drauf gestürzt bin. Dieser Zuspruch gibt mir immer ein bisschen Rückenwind. Ich lese Kommentare unter Bildern, sie motivieren mich auch und ich möchte weitermachen und den Zuschauern etwas zurückgeben.

Kannst Du Dir vorstellen in Zukunft als Trainer zu arbeiten?

Ausgeschlossen ist es nicht. Diesen Sport treibe ich fast mein ganzes Leben. Ich sag von mir selbst, dass ich eine gute Sprungtechnik habe und ich würde meine Erfahrungen gerne weitergeben. Ich werde schauen, was ich nach meiner Sportkarriere mache, aber bis dahin will ich noch ein paar Jahre Eislaufen.

Bis Olympia 2022?

Diese Olympischen Spiele möchte ich auf jeden Fall noch mitnehmen.

Vielen Dank für das Interview, Paul!

Alexandra Ilina, Minsk 2019