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Interview aus Liderkerke, April 2017

Durch seine international Erfahrung im Eiskunstlaufen hat sich Brian Joubert als Sportler, der seine Ziel erreicht, etabliert. Er hatte nie Angst vor Schmerz, er scheute sich nie vor harter Arbeit, täglichem Training, er ging immer seinen eigenen Weg, hat dabei Höhen und Tiefen erlebt. Joubert wurde Weltmeister und ist dreifacher Europameister. Brian Joubert weiß genau, was junge Menschen zum Erfolg brauchen. Jetzt will er seine Erfahrungen der jungen Generation vermitteln. Er will seine eigene Eiskunstlaufschule in Poitiers eröffnen und dort als Trainer arbeiten. In diesem Interview spricht er von seinen Ambitionen, seinen neuen Zielen und seinem neuen Weg.

 Brian, Du hast immer gesagt, dass Du Deine eigene Schule eröffnen möchtest

Ja, und ich hoffe, wenn ich sie eröffne, kommen viele Menschen zu meinem Club. Aber zunächst muss ich mein eigenes Team bilden, einige Spezialisten finden, die mit mir in dieser Schule in Poitiers arbeiten werden. Ich meine, ich werde ja nicht alleine dort arbeiten. Ich brauche einen Choreografen, ich brauche auch jemanden, der gut Pirouetten beibringt. Brian Orser hat eine sehr gute Mannschaft und sie funktioniert einwandfrei. Ich würde gerne so ein Team bilden. Wenn ich meine eigene Eiskunstlauf-Schule habe, muss ich alles organisieren und managen. Ich weiß, niemand ist in allen Bereichen perfekt und das ist das Problem von vielen Trainern: Sie denken, sie seien die besten in jeder Disziplin. Deshalb brauche ich verschiedene Fachkräfte für Pirouetten, für Übergänge, für Sprünge sowie einen Choreografen.

IMG_4658Hast Du bereist jemanden im Blick?

Ich würde gerne mit Cornelia Paquiet arbeiten. Sie war bereits bei meinem Sommerlager dabei und ich arbeitete mit ihr seitdem ich selber 17 Jahre war, sie war die zweite Trainerin in Poitiers. Cornelia ist eine sehr gute Trainerin für läuferische Fähigkeiten und sie kann sehr gut mit den Kindern arbeiten. Für Eistanz habe ich einen Freund gefunden, der mir dabei gut helfen kann. Es wird einige Zeit dauern, um eine funktionierende Mannschaft zu bilden.

Ist das kompliziert?

Diese Arbeit ist generell kompliziert. Mit Kindern zu arbeiten ist kompliziert, weil man ihnen alles beibringen muss und dafür braucht man Zeit. Andererseits ist es sehr interessant, mit den Teenagern zu arbeiten, weil sie ja glauben, sie sind bereits die besten und alles wissen (lacht). Aber das ist ein Fehler. Sie müssen viel lernen. Aber das ist so wunderbar, wenn Du eine Lösung für jeden findest. Jeder Läufer ist unterschiedlich und als Trainer muss ich jeden einzelnen Charakter gut kennen und verstehen können. Es ist meine Arbeit, ihnen zu helfen und sie stärker für jede Situation zu machen – sei es auf dem Eis oder auch im Leben. Ja, diese Aufgabe ist nicht leicht, aber ich mag sie. Ich mag es nicht, wenn alles leicht vorläuft. Diese Arbeit ist genau die Richtige für mich.

 Willst Du demnächst ausschließlich mit Einzelläufern arbeiten oder auch mit Paaren und Eistänzern?

Ich kann keine Eistänzer trainieren, weil ich selbst keiner war. Vielleicht, wenn ich viele Trainingszeiten in der Eishalle bekomme, könnte ich meine Schule auch für Paare erweitern. Das heißt: Ich muss jemanden finden, der sich im Paarlaufen gut auskennt und mit Sportlern arbeiten kann. Das wäre natürlich mein Traum. Wenn man ein großes Team aufbaut, kann man auch mehr anbieten –mit Einzelläufern arbeiten, aber auch mit Paaren. Aber wie gesagt, dafür brauche ich noch Zeit.

IMG_5734Wie funktioniert die Beziehung zwischen den Eltern und Schülern, ist es wichtig für Dich, mit ihnen in Kontakt zu sein?

Ja natürlich, weil sie auch ein Teil dieses Teams sind. Wenn man erfolgreich auf dem Eis sein will und wenn man ein sehr guter Trainer werden will, muss man ständig im Kontakt mit den Eltern bleiben und mit ihnen kommunizieren. Manchmal brauche ich einen Ratschlag von ihnen, wenn etwas auf dem Eis nicht klappt oder ein Problem entsteht. In diesen Situationen muss man mit ihnen reden, muss man zusammenarbeiten, um die beste Lösung für Sportler zu finden.

 Willst Du auch mit internationalen Sportlern arbeiten?

Ja, das ist kein Problem für mich und wenn ich ihnen helfen kann, werde ich es gerne tun. Ich hatte bereits einige Anfragen von Sportlern, die extra für Training nach Poitiers kommen würden.

IMG_5495Mit wie vielen Eiskunstläufern arbeitest Du zurzeit?

Zurzeit habe ich 26 Schüler, die bei mir in Poitiers trainieren. Einige Schüler wie Antonin, Vincent und Theophany begannen früher mit mir zu arbeiten, später kamen einige Läufer aus dem Club dazu und sie wollten von mir trainiert werden. Zur Zeit haben wir nicht viele Eiszeiten, etwa 2,5 Stunden pro Tag. Aber Kinder z. B.   müssen nicht jeden Tag trainieren. Aber, wenn ich mein Diplom und meinen eigenen Club habe, bekommen wir für unsere Arbeit hoffentlich mehr Stunden auf dem Eis. Das Diplom werde ich im Juni bekommen.

 Was hast Du in diesen Jahren für Dich als Trainer gelernt?

Ich bin geduldig geworden. Durch diese Arbeit lerne ich jeden Tag. Wenn ich schlafen gehe, denke ich daran, was ich am nächsten Tag zu erledigen habe und wenn ich einschlafe, denke ich an die Musik oder an unser Training. Ich bin sicher, ich muss noch viel lernen, und zwar von jedem. Und bei einem Trainingslager (Brian ist eingeladen als Trainer in Belgien während des Easter Camps von Kevin van den Perren und Jenna McCorkell) lerne ich auch viel. Ich lerne von den Schülern und von anderen Trainern, von ihrer Erfahrung, deshalb mag ich solche Trainingslager wie hier.

IMG_5767Zu lehren und zu lernen…

Ja, ich muss das Beste von jedem nehmen. Aber auch meine Schüler müssen woanders hingehen und nicht nur die ganze Zeit bei mir bleiben. Diese Woche in Belgien war wie ein Geschenk für meine Schüler, sie mussten dafür nichts zahlen und sie hatten diese Möglichkeit bekommen, mit Kevin und Jenna zu arbeiten und von ihrer Erfahrung zu profitieren.

Wer war der beste Trainer für Dich?

Jean-Christophe Simon. Im Juni werden meine Schüler Antonin und Vincent ein bisschen während seines Camps mit ihm arbeiten.

Kannst Du Dich an Ratschläge erinnern, die Dir andere Trainer gegeben haben und die für Dich besonders wichtig sind?

Ich würde sagen, es ist kein Ratschlag im eigentlichen Sinne des Wortes. Es ist wichtig für einen Sportler, immer die Unterstützung seines Trainers zu spüren, egal was passiert. Selbst wenn man als Eiskunstläufer einen Fehler macht und der Wettbewerb ist nicht gut gelaufen, es ist wichtig diese Unterstützung zu spüren. In diesem Sinne war für mich Nikolaj Morozov der Beste. Du kannst Fehler machen, aber in der Kabine wird er mit Dir sein und wird mit dir sprechen. Auch Jean Christophe Simon war so. Aber einige Trainer lassen Dich einfach alleine, wenn Du schlecht gelaufen bist.

IMG_5716Willst Du auch als Choreograf arbeiten? Einige Trainer gestalten Programme für ihre Sportler

Diese Aufgabe ist komplett anders. Wenn man einen guten Choreografen braucht, muss man dafür zahlen. Aber vor allem für junge Läufer ist es kompliziert, dies zu bezahlen. Ich würde meinen Schülern dabei helfen. Aber besser wäre es natürlich, wenn man für sie einen professionellen Choreografen findet. Wenn sie ein höheres Niveau erreichen möchten, müssen sie mit einem echten Choreografen arbeiten. Nicht mit mir.

 Du hast Dich wirklich auf Deine Trainerkarriere konzentriert…

Ich glaube, ich kann viel für das französische Eiskunstlaufen bewegen. Wir sind jetzt zu spät dran, wenn man sieht, wie viele Punkte Yuzuru Hanyu schon erreicht. Ich glaube, alle französischen Trainer müssen zusammen arbeiten, als Mannschaft. Weil derzeit, wenn ein Eiskunstläufer zu einem anderen Trainer wechseln will, sieht man es nicht gerne und ist enttäuscht. Die Trainer mögen diese Wechsel nicht. Aber wenn wir Trainer als Team unsere Arbeit leisten, würden wir zusammen bessere Ergebnisse erzielen. Was mich betrifft, ich werde mein Besten tun, um meinen Schülern zu helfen.

Was muss man bei der Arbeit mit Kindern beachten?

Wichtig ist es, ihnen von Anfang an eine gute Basis zu vermitteln.

 IMG_4944Ist es so, wie das System von Alexey Mishin? Er beginnt früh mit Kindern zu arbeiten und bringt sie auf ein höheres Niveau.

Ich würde auch gerne mit Kindern von Anfang an arbeiten, ihnen eine Basis vermitteln und ihre läuferischen Fähigkeiten entwickeln. Für den Trainer ist es leichter so zu arbeiten. Zum Beispiel Antonin wechselte zu mir und es ist schwieriger für mich, mit ihm zu arbeiten, weil er eine andere Basis hat. Als Trainer muss Du die Technik wechseln, aber gleichzeitig beachten, dass man nicht zu viel ändert, sonst kann man den Schülern nur schaden. Wenn Du aber den Kindern eine gute Basis vermittelt, wird es später leichter mit ihnen zu arbeiten.

 Ich habe gehört, einige Trainer kümmern sich nicht darum, wenn Kinder stürzen, weil junge Menschen angeblich durch diese Stürze stärker werden. Wie ist Deine Einstellung dazu?

Nein, das ist nicht schmerzhaft. Wir sind es gewohnt zu fallen. Zu gefährlich wäre es hingegen, wenn man zur gleichen Zeit zu viele Kinder, die ein unterschiedliches Niveau haben, laufen lässt. Ich achte darauf. Wenn ein Kind stürzt, fällt es mir schwer, ihm zu sagen – “Du muss es noch mal wiederholen”. Aber das ist das Leben. Manchmal fallen sie wirklich sehr unglücklich, aber wenn Du beginnst mit “Ahhh” zu reagieren, brechen sie in die Tränen aus. Wenn Du aber als Trainer sagt, “oh, das war aber lustig”, starten sie noch einmal, die Übung zu laufen. Ich meine, es ist nicht besser, die Stürze gar nicht zu beachten, aber man muss zeigen, dass Stürze nichts Besonderes sind. Einige Eiskunstläufer wollen nicht zu viel arbeiten und Schmerzen ertragen. Aber wenn man Angst vor Schmerz hat, muss man die Sportart wechseln. Eiskunstlaufen ist wirklich kompliziert (lächelt)

IMG_4610Wie ist es jetzt mit der Eishalle in Poitiers? Ich habe gehört, sie wird Deinen Namen tragen?

Ja, sie wollten das offiziell bei einem Wettbewerb tun, aber dieser Wettbewerb wurde storniert.

 Ich habe bei deinem letzten Trainingslager erlebt, dass deine Schüler durch Spielen viel lernen. Du wendest viele unterschiedliche Methoden an, oder?

Ich versuche immer neue Herausforderungen für meine Schüler zu finden und bei meinem letzten Lager waren sie sehr glücklich, weil sie es nicht spürten, dass sie arbeiten. Aber in Wahrheit war es harte Arbeit.

Organisierst Du wieder ein Trainingslager in Poitiers?

Ja, im August. Ich möchte, dass junge Sportler noch besser werden aber gelichzeitig möchte ich, dass sie diese Arbeit genießen.

Brian, ich wünsche dir viel Glück mit deiner neuen Eiskunstlaufschule und beim Trainingslager im August.

Alexandra Ilina, Belgien, April 2017